Wir haben alle mal einen schlechten Tag, an dem wir uns erschöpft, ängstlich und pessimistisch fühlen. Diese gelegentlich auftretenden Missstimmungen verschwinden von selber wieder, wenn wir „eine Nacht darüber geschlafen“ haben.

Anders ist das bei echten Depressionen, bei denen die Beschwerden schlimmer werden und chronifizieren. Dann läuft das Leben nicht mehr in den gewohnten Bahnen. Laut einer Erhebung der WHO aus 2023 leiden rund 3,8 % aller Menschen weltweit an der psychischen Erkrankung. Das sind rund 380 Millionen Erdbewohner.

Eine Depression tritt individuell sehr unterschiedlich in Erscheinung. Um das Leiden besser zu verstehen und dann besser behandeln zu können, haben Wissenschaftler Verlaufsmodelle entwickelt, die die Krankheit beschreiben sollen. Eines dieser Konzepte ist das 5 Phasen-System in Anlehnung an die Forschungen der US-amerikanischen Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross. Die Ärztin hatte Sterbenskranke begleitet und deren psychischen Zustand beobachtet und dokumentiert. Demnach verläuft die Reaktion auf den kurz bevorstehenden Tod in den 5 Stufen: Verleugnung, Wut, Verhandlung, Depression, Akzeptanz.

Aus dieser Beschreibung der Depression erarbeiteten Wissenschaftler das 5-Phasen-Modell. Dabei muss berücksichtigt werden, dass Elisabeth Kübler-Ross Patienten in einer sehr speziellen Lebenssituation betrachtete. Andere Formen der Depression wie die uni- und bipolaren Störungen in der Mitte des Lebens sind natürlich etwas sehr Verschiedenes im Vergleich zur Lebenslage Sterbender.

Trotzdem liefern die wissenschaftlichen Ergebnisse der US-Ärztin Anhaltspunkte dafür, wie sich eine Depression entwickeln kann. Das 5-Phasen-Modell ist allerdings eben „nur“ ein Modell.

Diese 5 Stufen werden nicht bei jedem Menschen in derselben Reihenfolge oder mit derselben Intensität auftreten.

Nach dem Modell verläuft eine Depression grundsätzlich in diesen Phasen:

  1. Negative Gedanken: Pessimistische Gedanken kommen auf und das nicht nur zeitweise, wie es „normal“ ist, sondern dauernd. Ein Mensch, der nun in eine Depression „rutscht“ fühlt sich ständig niedergeschlagen. Die Haltung gegenüber dem sozialen Umfeld verändert sich. Die Beziehungen zu Menschen am Arbeitsplatz oder im privaten Bereich leiden darunter, weil Interaktionen mit ihnen plötzlich und überwiegend negativ gesehen werden.

Helfen kann jetzt, innerlich Abstand zu gewinnen und die eigene Weltsicht nicht für allgemeingültig zu erklären. Ein Gedankentagebuch kann dazu beitragen, übertrieben negative Ansichten zu erkennen und zu relativieren. Im offenen Gespräch mit vertrauten Menschen kann eine Realitätsprüfung unangemessener Vorstellungen stattfinden. Die Kontaktaufnahme zu Psychiatern und Psychologen ist sinnvoll.

  1. Veränderter Appetit: Der Appetit kann abnehmen oder stärker werden. Im ersten Fall droht ein Gewichtsverlust, weil sehr viel weniger gegessen wird, im zweiten Fall kommt es zum bekannten „Frustessen“. Dabei werden hochkalorische  Lebensmittel bevorzugt, die die Dopaminausschüttung im Gehirn ankurbeln. Zudem nehmen die betroffenen Menschen zu.

Wer weniger Appetit hat, sollte möglichst in Gesellschaft essen und die Mahlzeiten stilvoll gestalten. Die Zubereitung des Lieblingsgerichtes kann ebenfalls helfen.

Beim Aufkommen von Lust auf Frustessen ist ein bewährtes Gegenmittel, über seine Essgewohnheiten nachzudenken. Kleine, häufigere Mahlzeiten über den Tageslauf zu verteilen, vermeidet Hungertiefs. Dabei ist ein zurechtgelegter Essensplan sinnvoll.

  1. Schlafprobleme: Die negativen Gedankenkreise hindern depressive Menschen oft am Einschlafen. Außerdem werden die Kranken öfter wach und haben abermals Schwierigkeiten, wieder Ruhe zu finden. Der Schlafmangel verstärkt die Depression noch, wodurch ein Teufelskreis entsteht. Besonders die Antriebsschwäche, die für Depressionen typisch ist, wird schlimmer. Der Erkrankte ist ständig müde und unkonzentriert.

 In dieser Situation ist ein regelmäßiger Schlafrhythmus wichtig: Immer zur gleichen Zeit ins Bett gehen und aufstehen. Störende Einflüsse wie Fernsehen, Internet und Handy sollten schon 1 Stunde vorm Zubettgehen abgestellt werden. Der Konsum von Genussgiften (Kaffee, Zigaretten) sollte schon ab der Mittagszeit nicht mehr stattfinden. Ein Spaziergang oder Entspannungsübungen helfen, Ruhe zu finden. Das Schlafzimmer wird am besten komplett verdunkelt.

  1. Schuldgefühle: Der erkrankte Mensch fühlt sich ständig schuldig und verantwortlich für geringste Anlässe oder Angelegenheiten, an denen er gar nicht beteiligt ist. Auch denken Menschen in dieser Lage, sie seien an ihrer Situation selbst Schuld. Daher rühren die Minderwertigkeitsgefühle und die Annahme, es dürfe ihnen gar nicht gut gehen. Nun erfolgt auch ein zunehmender Rückzug aus dem sozialen Leben.

Spätestens jetzt sollte mit einer Psychotherapie interveniert werden. Ein stichwortartiges Tagebuch kann Positives und Negatives bilanzieren und so die Augen öffnen für die tatsächliche Lebenslage. Die Notizen können auch die erfreulichen Dinge beinhalten, die künftig zu erwarten sind. Unbedingt sollte das Belohnungssystem getriggert werden, also dürfen schöne Unternehmungen nicht zu kurz kommen.

  1. Selbstmordgedanken: In diesem Spätstadium verfestigt sich die Annahme, die Situation werde sich nicht mehr ändern. Positive Entwicklungen werden gedanklich komplett ausgeschlossen. Der einzige Ausweg scheint nun die Selbsttötung zu sein, um die viele Gedanken kreisen. Das kann darin münden, dass der Kranke Schritte unternimmt, um diesen Plan durchzuführen. Das soziale Umfeld bemerkt davon meistens nichts, weil ein depressiver Mensch in dieser Phase oft einen gelassenen Eindruck hinterlässt, weil der Gedanke an den eigenen Tod beruhigend wirkt.

Deswegen ist es schwierig, sich dem Betroffenen zu nähern, sodass er sich öffnet. Von selber wird er das Problem nicht ansprechen wollen. Nur sehr nahestehende Angehörige können die Lage erkennen und ein Gespräch einleiten und professionelle Hilfe organisieren, die dringend erforderlich ist.

Wer hilft bei Depressionen?

Der erste Ansprechpartner bei Depressionen ist der Hausarzt. Er kann den Kranken zu einem Psychiater überweisen, der eine Behandlung startet oder gegebenenfalls eine Klinikeinweisung veranlasst.

Eine Selbsthilfegruppe kann einen Austausch mit Betroffenen ermöglichen. Die Teilnahme an den Meetings vermittelt nicht nur die Gewissheit, dass man nicht alleine ist und dass es Wege aus der Depression gibt.

Direkten telefonischen Kontakt zu erfahrenen Fachleuten bietet die Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention unter der Nummer: 0800/33 44 533.

Dieser Beitrag wurde im Juni 2024 erstellt und letztmalig am 10.07.2024 aktualisiert.