Das altgriechische „kathízein“ bedeutet „sich setzen“ oder „sitzen“. Mit dem A davor wird der Hinweis darauf gegeben, dass geradezu eine Unfähigkeit zum Sitzen vorliegt. So ist die deutsche Übersetzung „Sitzunruhe“ bedingt treffend.

Wen das trifft, der leidet richtig. Bereits vor der Einführung von Neuroleptika war die Symptomatik der Akathisie zum Beispiel bei Patienten mit Morbus Parkinson oder Erkrankungen der Basalganglien bekannt.

Heute tritt die Akathisie vor allem als sehr unangenehme Nebenwirkung bei einigen Antipsychotika der ersten Generation wie Aripiprazol, Risperidon und Clozapin auf, insbesondere dann, wenn diese in einer hohen Dosierung eingenommen werden. Das Markenzeichen der Akathisie sind rastlose, unbezwingbare Bewegungen, die vor allem Arme und Beine betreffen, in Kombination mit einer starken inneren Unruhe und dem ständigen Gefühl der Getriebenheit.

Es gibt aber auch Patienten, die eine Akathisie entwickeln bei:

  • Antipsychotika der zweiten Generation
  • Antiemetika
  • Selektive Serotonin Wiederaufnahme-Inhibitoren (SSRI)
  • Reduktion der Dosierung eines dieser Medikamente

Die Akathisie kann extrem quälend sein mit der Folge, dass die Betroffenen auto- oder fremdaggressives oder suizidales Verhalten an den Tag legen. Auswege aus diesem Dilemma liegen aus schulmedizinischer Sicht in der Umstellung auf ein verträglicheres Medikament oder in der deutlichen Reduzierung des verursachenden Medikaments.

Darüber hinaus werden noch Betablocker, Mirtazapin oder Benzodiazepine in Betracht gezogen. Wir werden weiter unten sehen, dass es aber noch andere Alternativen gibt.

Medikamente als Auslöser

Mit dem Aufkommen der Antipsychotika der ersten Generation wie Haloperidol trat die Akathisie immer häufiger auf. Entweder wurden diese Medikamente sehr hoch dosiert oder deren Dosierung wurde zu schnell gesteigert.

Die zweite Generation dieser Medikamente wurde diesbezüglich mit viel Hoffnung verbunden, die aber leider weitgehend enttäuscht wurde, was in der CATIE-Studie quantitativ belegt ist. Die Symptome im Einzelnen:

  • Innere Unruhe und Rastlosigkeit sowie ein ständiges Gefühl der Getriebenheit
  • Permanenter, unbezwingbarer Impuls zu Bewegungen, vor allem der Arme, Hände und Beine. Es ist dem Betroffenen nicht möglich, längere Zeit still zu stehen oder zu sitzen.
  • Permanente Verlagerung des Gewichts von einem Bein auf das andere
  • Ständiges Umherlaufen oder Trippeln
  • Beim Sitzen werden immerzu wechselnd die Beine überkreuzt.
  • Wegen der „zappelnden“ Beine ist ein ruhiger Schlaf nicht möglich.

Nach aktueller Studienlage wird die Akathisie durch eine Imbalance zwischen seroto/noradrenergen und dopaminergen Neurotransmittern ausgelöst. Vermutet wird auch eine Blockierung der Rezeptoren für Dopamin, einem Botenstoff, der an der Kontrolle unserer Bewegungen beteiligt ist.

Andere Neurotransmitter wie Acetylcholin, Serotonin oder die Aminosäure GABA stehen aktuell ebenfalls im Fokus, wenn es um die Ursachenforschung bei der Akathisie geht.

Die folgende gewiss nicht vollständige Liste benennt jene Medikamente, die dafür bekannt sind, dass sie als Nebenwirkung eine Akathisie hervorrufen können:

  • Haloperidol (Haldol)
  • Flupenthixol (Fluanxol)
  • Fluphenazin (Prolixin)
  • Pimozid (Orap)
  • Prochlorperazin (Compro, Compazin)
  • Thioridazin (Mellaril)
  • Thiothixen (Navane)
  • Loxapin (Loxitan)
  • Molindon (Moban)
  • Chlorpromazin (Thorazin)
  • Trifluoperazin (Stelazin)

Bitte nicht verwechseln

Abzugrenzen ist die Akathisie unbedingt vom Restless-Legs-Syndrom (RLS), bei dem fast ausschließlich die Beine betroffen sind. Zudem tritt RLS meistens erst in der Einschlafphase oder während der Nacht auf und ist mit Schmerzen in den Beinen verbunden. Bei Bewegung tritt eine kurzfristige Besserung ein. Opioide und Dopaminagonisten helfen ebenfalls, die Symptomatik zu verbessern, während von SSRI abzuraten ist.

Auch kann die Akathisie mit einer Spätdyskinesie verwechselt werden. Dabei handelt es sich ebenfalls um eine Bewegungsstörung, die als Nebenwirkung antipsychotisch wirkender Medikamente auftreten kann. Allerdings geschehen diese Bewegungen eher willkürlich, vor allem im Gesicht, aber auch am Rumpf und an den Armen, wobei der Betroffene oftmals nicht einmal merkt, was er tut.

Behandlung

Aus schulmedizinischer Sicht werden die folgenden sieben Behandlungsmöglichkeiten empfohlen. Die Reihenfolge entspricht der Priorisierung:

  1. Tritt eine Akathisie bereits bei üblichen Dosierungen eines Antipsychotikums auf, sollte rasch nach einem besser verträglichen Medikament gesucht werden.
  2. Bei der Reduzierung der Dosis kann sich die Akathisie sogar erst einmal verstärken. Um beurteilen zu können, ob diese Maßnahme greift, muss sie mindestens eine Woche lang konsequent durchgezogen werden.
  3. In einer Studie hat sich der 5-HT2A Antagonist Mirtazapin bewährt, denn das Mittel ist bei besserer Verträglichkeit in der Wirkung in etwa vergleichbar mit Propranolol. Eine Gewichtszunahme ist allerdings nicht auszuschließen.
  4. Der Betablocker Propranolol wird oftmals nicht gut vertragen, kommt aber bereits seit Jahrzehnten gegen Akathisie zur Anwendung.
  5. Benzodiazepine sind hochwirksame Beruhigungsmittel mit einem enormen Suchtpotential und haben sich eher dann bewährt, wenn die Unruhe auch durch psychische Komponenten ausgelöst wird.
  6. Amantidin und Mianserin werden zuweilen auch erfolgreich eingesetzt.
  7. Anticholinergika wie Biperiden werden eher zur Steuerung des Extrapyramidalmotorischen Systems (EPMS) oder gegen die parkinsonistischen Symptome eingesetzt.

Eine Akathisie muss auf jeden Fall unmittelbar behandelt werden, weil der Patient sich ansonsten dazu gezwungen sieht, die Einnahme seiner Medikamente (eigenständig) abzubrechen, was fatale Folgen für ihn oder seine Mitmenschen haben könnte.

Es gibt auch Ärzte, die versuchen, mit Blutdruck-Medikamenten oder antiviral wirkenden Mitteln gegen die Akathisie anzukämpfen. Dabei gibt es deutlich weniger schädliche alternative Behandlungsmethoden.

Alternative Behandlung

In Studien konnte nachgewiesen werden, dass sich die Akathisie deutlich durch hoch dosiertes Vitamin B6 (1,2 g) verbessern lässt.

In einer Studie über die Wirkung von Cannabidiol vom Mai 2018 heißt es: „Zwar gibt es erst wenige Studien, die sich mit der Wirkung von Cannabidiol auf Bewegungsstörungen beschäftigt haben, dennoch erweist sich das Mittel in der Praxis mehr und mehr als vielversprechender Wirkstoff zur Behandlung und darüber hinaus sogar zur Verhinderung einer Akathisie.“

 

Beitragsbild: 123rf.com – Katarzyna Bialasiewicz

Dieser Beitrag wurde am 10.08.2021 erstellt.