Jeder kann jederzeit zum Opfer einer Gewalttat werden. In aller Regel helfen dann Familienmitglieder oder Freunde, so gut es eben geht. Gewaltopfer haben aber auch einen Anspruch auf Hilfe durch den Staat, denn das Ziel ist die Wiederherstellung der leiblichen und seelischen Unversehrtheit.

Die Grundlage für die Entschädigungsleistungen für Gewaltopfer ist das „Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten“ (OEG). Es sind die Versorgungsämter der Länder, die Betroffene und deren Angehörige in der Sache informieren und beraten. Dabei stehen diese stets in engem Kontakt mit der Polizei, aber auch zum „Weißen Ring“, um hier nur eine nicht-staatliche Organisation zu nennen.

Wie wird Gewalt erlebt?

Die besondere Stresssituation während einer Gewalttat wird meistens entweder beschleunigt oder verlangsamt wahrgenommen. Es gibt Betroffene, die berichten, sich selbst eher aus der Perspektive eines Außenstehenden gesehen zu haben, fast so, als seien sie selbst gar nicht dabei. Sogar Schmerzen werden oft erst dann gespürt, wenn schon alles vorbei ist. An manche Momente können sie sich gar nicht mehr erinnern, andere Details bleiben dagegen überdeutlich im Gedächtnis. Eine große Verwirrung spielt unmittelbar nach dem Geschehen fast immer eine Rolle.

Die drei Phasen der „Reaktion danach“ lassen sich so zusammenfassen:

  • Schockreaktion (Stunden oder sogar Tage)
  • Einwirkungsphase (einige Wochen)
  • Erholungsphase

Die Phasen 1 und 2 sind oft von Wut, Schlafproblemen, Selbstzweifel, Angst und Depressionen geprägt. Es ist sehr wichtig, dass man sich selbst Zeit lässt und nicht bedrängt, mit dem Erlebten so schnell wie möglich fertig zu werden.

Doch leider ist es so, und so ehrlich wollen wir hier sein, dass sich nicht jeder Betroffene vollumfänglich erholen kann. Typische Langzeitfolgen sind seelische Erschütterung beziehungsweise Verletzung. Die Erholungsphase, um die drei Punkte noch abzuschließen, bedeutet, dass das Trauma nach und nach verarbeitet werden kann und der Betroffene in sein normales Leben zurückfindet.

Die Folgen der Gewalt können sein:

  • Schlafstörungen und Albträume
  • hohes Maß an Misstrauen gegenüber Anderen
  • extreme Gereiztheit, Nervosität und Konzentrationsschwierigkeiten gepaart mit Vergesslichkeit
  • das ständige Wiedererleben der Verbrechenssituation
  • man traut sich gar nicht mehr aus dem Haus
  • totale Gleichgültigkeit und Freudlosigkeit
  • Angstzustände und Depressionen

Die Erinnerung an den Tathergang ist oft sehr nebulös und daher wenig hilfreich bei der Aufklärung eines Verbrechens. Nicht selten fühlen sich die Opfer sogar mitschuldig an dem, was passiert ist, oder werden dessen bezichtigt, zum Beispiel, wenn es um eine Vergewaltigung geht. Eine Vergewaltigung ist eigentlich immer eine Erniedrigung, Demütigung und Verletzung der Menschenwürde. Ekel, Übelkeit und lang anhaltende Probleme mit dem Partner sind fast immer die Folgen. Nicht selten ist der Vergewaltiger ein Bekannter, was die Aufarbeitung der Situation (auch rechtlich) nur umso komplizierter macht.

Wenden Sie sich bei einem Vergewaltigungsdelikt unbedingt an eine Beratungsstelle der Gemeindeverwaltung, beispielsweise an die Familienberatung. Was Sie dort von sich geben, bleibt absolut vertraulich, Sie treffen jede Entscheidung zum weiteren Vorgehen völlig eigenständig. Um die erlebte Gewalt besser verarbeiten zu können, sollten Sie auch immer wieder offen mit Menschen Ihres Vertrauens darüber reden und Ihre Sorgen und Ängste formulieren.

Was ist unter einem psychischen Trauma zu verstehen?

Ein psychisches Trauma ist wie eine Verletzung beziehungsweise Wunde der Seele. Das heißt, auch eine seelische Wunde braucht ihre Zeit und vor allem Pflege, damit sie wieder verheilen kann. Wenn ein Erlebnis derart überwältigend war, ergreift die Seele ganz automatisch bestimmte Schutzreaktionen. Daher kommt es, dass manche Betroffene strikt darauf bestehen, dass das alles gar nicht wirklich passiert ist, oder sie meiden die Erinnerung daran, um sich den damit verbundenen schlechten Gefühlen nicht erneut auszusetzen.

Wer eine seelische Verletzung erlitten hat, sollte sich unbedingt professionell helfen lassen, eben so, wie Sie mit einer körperlichen Wunde zum Arzt gehen. Eine gute Adresse ist in solchen Fällen die sogenannte „Trauma-Ambulanz“. Folgende psychologische Ziele werden dort verfolgt:

  • Unterstützung bei allen Schwierigkeiten im Alltag
  • Hilfestellung beim Umgang mit den eigenen überwältigenden Gefühlen
  • Einleitung eines rechtzeitigen natürlichen Verarbeitungsprozesses

Für die Betroffenen ist es meistens am wichtigsten, überhaupt als Gewaltopfer anerkannt zu werden, was auch einen engen Bezug zu den entstandenen Folgen hat. Die juristische Strafverfolgung ist ihnen demgegenüber eher zweitrangig. Die offizielle Anerkennung als Opfer erfolgt bei der Versorgungsverwaltung im Sinne einer staatlichen Sozialverwaltung.

Dahinter verbirgt sich, dass Ihnen möglicherweise Ansprüche gemäß Opferentschädigungsgesetz (OEG) zustehen. Zum Gespräch im Rahmen der Antragstellung können Sie bei Bedarf eine Person Ihres Vertrauens hinzuziehen. Bedenken Sie dabei, dass ein Gewaltopfer kein Bittsteller ist. Es gehört zu den Aufgaben einer zivilisierten Gesellschaft, ihre Mitglieder vor Gewalt zu schützen. In der Regel kooperiert die Versorgungsverwaltung gut mit dem Opferschutzbeauftragten der Polizei. Gegebenenfalls fragen Sie selbst bei der Polizei nach dem Kontakt zum Opferschutzbeauftragten.

Die Versorgungsverwaltung von NRW zum Beispiel hat für Betroffene extra diesen kostenlosen Notruf eingerichtet: Infoline 0800-654-654-6 für Gewaltopfer

Trauma-Ambulanzen und das Kölner Opferhilfe-Modell

Das Kölner Opferhilfe-Modell ist eine gemeinsame Initiative des Sozialministeriums und des „Instituts für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Universität Köln“. Weitergehende Informationen dazu finden Sie zum Beispiel in der Broschüre „Neue Wege in der Opferhilfe”, die Sie beispielsweise per E-Mail hier bestellen können:

poststelle@bezreg-muenster.nrw.de

Um der verletzten Seele so schnell wie möglich die erforderliche Hilfe angedeihen zu lassen, hat Nordrhein-Westfalen spezielle Trauma-Ambulanzen für Gewaltopfer installiert. Falls Sie in Ihrer näheren Umgebung keine Trauma-Ambulanz finden, sollten Sie sich entweder mit Ihrem zuständigen Versorgungsamt, dem „Weiße Ring e. V.“ oder mit dem „Deutschen Institut für Psychotraumatologie“ (DIPT) in Verbindung setzen. Dort erhalten Sie auch hilfreiche Informationen über:

  • Selbsthilfegruppen
  • Beratungsstellen für spezielle Opfergruppen
  • Adressen von Therapeuten mit besonderer Zusatzausbildung für die ambulante Psychotherapie

Das Opferentschädigungsgesetz OEG

Das OEG gilt für Ansprüche aus Gewalttaten, welche nach dem 15. Mai 1976 erfolgten. Die Schädigung muss aber innerhalb der Bundesrepublik Deutschland und/oder auf einem deutschen Schiff beziehungsweise Luftfahrzeug geschehen sein. Eine Härteausgleichsregelung gilt für jene Personen, die innerhalb des Zeitintervalls 23. Mai 1949 bis 15. Mai 1976 eine gesundheitliche Beeinträchtigung erlitten haben, eine geprüfte Bedürftigkeit vorausgesetzt.

Als Gewalttat definiert der Gesetzgeber einen vorsätzlichen, rechtswidrigen, tätlichen Angriff. Dazu zählen zum Beispiel:

  • Beibringung von Gift
  • fahrlässige Herbeiführung einer Gefahr für Leib und Leben durch gemeingefährliche Mittel (Brandstiftung, Sprengstoffanschlag)

Anspruchsberechtigt sind die Geschädigten selbst oder ihre Hinterbliebenen (Witwer, Witwen, Waisen oder Eltern). In Deutschland lebende Ausländer, aber auch ausländische Touristen können gegebenenfalls Entschädigungsleistungen erhalten. Der Beginn der Versorgungsleistung ist an den Zeitpunkt der Antragstellung geknüpft, daher empfiehlt es sich, solch einen Antrag unverzüglich zu stellen, was beim Versorgungsamt auch formlos möglich ist.

Darüberhinaus kann der Antrag in den Gemeinden oder bei Trägern von Sozialleistungen wie der Krankenkasse oder Rentenversicherung abgegeben werden. Eine Art Grundvoraussetzung dafür ist natürlich, dass der Geschädigte so schnell wie möglich Strafanzeige erstattet, um seiner Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts und Täterverfolgung zu genügen.

 

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